Rückläufige Apothekenzahlen gefährden patientennahe Versorgung

ak s-a, 18. November 2022). In Sachsen-Anhalt geben immer mehr Apotheken auf. „Der bundesweite Trend hat mit zeitlicher Verzögerung auch unser Bundesland erreicht. Selbst wenn sich die Zahl von neun Schließungen allein in den vergangenen zwölf Monaten nicht wirklich viel anhört (seit 2011 sind es bereits 41), so ist es für die jeweiligen Orte mit ihren Bewohnern doch ein deutlicher Einschnitt und tut sehr weh“, erklärt Dr. Jens-Andreas Münch, Präsident der Apothekerkammer Sachsen-Anhalt anlässlich des ersten Apothekentrauertages. Der Apothekentrauertag war eine Idee von Apothekeninhaberin Anne-Kathrin Haus. Am 17. November gedachte sie vor ihrer Corvinus-Apotheke in Colbitz mit Grabsteinen den geschlossenen Apotheken. Und ein großes Kreuz trug die Aufschrift: Ruhe in Frieden Apotheke vor Ort.

Die Initiative zog große Aufmerksamkeit auf sich. In den Patientengesprächen wurde deutlich, dass bei einer Apothekenschließung die nächste Apotheke sehr schwierig zu erreichen sein würde. Gegenüber anwesenden Medien und Politikern legten vor allem die älteren Dorfbewohner ihre Sorgen dar, was es heißen würde, wenn ihre Apotheke in Colbitz ihre Türen für immer schließt. Mindestens acht Kilometer seien es bis zur nächsten Stadt. Schon allein das Busticket für eine Hin- und Rückfahrt würde mit etwa neun Euro zu Buche schlagen, vom zeitlichen Aufwand ganz abgesehen.

Damit es in Colbitz und anderswo nicht zu weiteren Schließungen von Apotheken im Ort kommt, unterstützt die Kammer das Engagement der 34jährigen Apothekerin, die vor fünf Jahren noch euphorisch und voller Zuversicht die kleine Apotheke im Ort übernommen hat. „Wir wollen ja, dass auch künftig unser Berufsnachwuchs den Weg in die Selbständigkeit wagt und Patienten im ganzen Land versorgt. Dafür müssen wir jetzt mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln für den Erhalt der Vor-Ort-Apotheke kämpfen“, so Kammerpräsident Dr. Münch.

Das wirtschaftliche Umfeld erschwert dieses Engagement. In der Pandemie als unverzichtbar und systemrelevant gefeiert, stehen jetzt Honorarkürzungen an. Apotheker Münch: „Dafür, dass wir gerade in dieser Zeit, in der auch wir mit Inflation und massiv steigenden Kosten zu kämpfen haben auch noch eine Honorarkürzung hinnehmen müssen, habe ich keinerlei Verständnis. Uns fehlen jegliche Kompensationsmöglichkeiten.“

Zusätzlich belastet die Apotheken die überbordende Bürokratie der Krankenkassen. „Unter anderem müssen wir für reine Formfehler bei der Rezeptabrechnung herhalten. Es kann nicht sein, dass wir für ein vergessenes Kennzeichen auf dem Rezept eine Null-Retaxation bekommen. Das heißt konkret, dass wir das Arzneimittel komplett aus eigener Tasche bezahlen müssen, obwohl wir unsere Patienten qualitativ einwandfrei versorgt haben. Das führt einfach zu weit. Ich bezeichne so etwas als Zechprellerei“, so Kammerpräsident Münch.

Der Unmut in der Apothekerschaft ist groß. Darum hat die Kammerversammlung am 16. November eine Resolution verabschiedet, die das Thema Honorarkürzung aufgreift, aber auch Lösungswege aufzeigt. „Wir bieten ausdrücklich unsere Expertise beim Umbau des Gesundheitswesens an. Dabei muss die bewährte Struktur der Vor-Ort-Apotheken gestärkt hervorgehen. Tatsächliche Effizienzreserven sehen wir im Abbau überbordender Bürokratie, dem Ausbau der Digitalisierung und einer besseren Nutzung der Kompetenz und heilberuflichen Eigenverantwortlichkeit der Apotheker. Im Mittelpunkt steht dabei aber immer unsere Kernaufgabe: Die Versorgung mit und Beratung zu Arzneimitteln“, hebt Dr. Münch hervor. Die Resolution geht nun an Politiker von Land und Bund, um auf die existentiellen Sorgen der Apotheker aufmerksam zu machen.

Anne-Kathrin Haus sagt: „Die Lage ist bitterernst. Wenn immer mehr Apotheken vor Ort dicht machen, wird die Last auf immer weniger Schultern verteilt. Es bedarf dann nur noch kleinen Fünkchen, damit die verbliebenen Apotheken unter dieser Last zusammenbrechen und auch noch aufgeben. Darum hatten wir uns entschieden, einen Tag lang unsere Patienten in schwarzer Kleidung zu begrüßen, das Schaufenster schwarz zu dekorieren und einen Apothekenfriedhof mit Grabsteinen für die geschlossenen Apotheken vor der Apotheke aufzubauen. So wollten wir gegenüber der Politik und den gesetzlichen Krankenkassen zeigen, dass uns die Luft zum Atmen genommen wird. Unsere Patienten standen dabei allesamt hinter uns. Das gibt uns Mut!“

Apothekentrauertag

Foto: Anne-Kathrin Haus und Dr. Jens-Andreas Münch
Quelle: Katrin Pohl


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